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VERÄNDERUNG LIEBEN LERNEN #3 – Zwischen den Welten

7 Wochen nach der letzten Ausgabe meines monatlichen Newsletters (*räusper*) ist es nun wieder soweit. Die Natur ist im Umbruch. Die Welt des Winters scheint lang vergessen, der heiße Sommer liegt noch vor uns und die Übergangszeit des Frühlings ist in vollem Gange. Um diese Übergänge und Zwischenwelten soll es auch in der heutigen Ausgabe gehen.

Woran machen wir das “dazwischen” eigentlich fest?

Ich habe den Frühling als ein Beispiel für eine Übergangsphase zwischen zwei Welten gewählt. Und es scheint ganz eindeutig: der Winter geht in den Sommer über, es ist nicht mehr kalt, aber auch noch nicht heiß, die Natur wird von Tag zu Tag grüner. Vielleicht hast du, wie ich auch, einen sehr guten inneren Referenzwert, was unter einer Übergangsphase zu verstehen ist, oder wie es sich zwischen den Welten anfühlt. Und doch frage ich mich, woran wir den Raum zwischen zwei Welten festmachen? Ist es das Extreme der beiden Welten, welches das andere zum “dazwischen” werden lässt? Ist es eine Kategorisierung – alles was nicht in bestimmte Kategorien passt, bekommt ein “dazwischen” Label? Ist es die Ambiguität der Situation – nicht kalt, nicht warm? Befindet sich zwischen den Welten die Instabilität und die Veränderung?

Und doch lassen sich auch die Übergangsphase als eigene Welt erfassen. So lässt sich der Frühling klar beschreiben und kategorisieren, das Wachstum der neuen Triebe und Blätter kann man im Vergleich zum Rest des Jahres als extrem einstufen und 15 Grad Außentemperatur ist nicht mehrdeutig. Entsteht das “dazwischen” also nur, weil wir ihm diese Bedeutung geben?

Ein Ausflug in die alte neue Welt

Für mich hat mein Urlaub letzte Woche meinen Ausflug zwischen die Welten in den 6 Wochen davor ein Stück weit abgeschlossen. Das “dazwischen” wird trotzdem langfristig nachhallen.

Mit meinem Einsatz für Alliance4Ukraine bin ich ein ganzes Stück weit wieder in meine “alte” Beratungs- und Projektmanagement-Welt eingetaucht. Strukturen aufbauen, Menschen und Organisationen miteinander vernetzen, Status-Updates geben, Management Summaries schreiben, in einem Projektteam arbeiten – für viele meiner Aufgaben konnte ich die Kompetenzen einsetzen, die ich mir als Beraterin über viele Jahre aufgebaut habe. Auch unter meinen Teamkollegen:innen befanden sich viele Unternehmensberater:innen und Projektmanager:innen. Und irgendwie hat es sich angefühlt wie Fahrradfahren nach einer langen Pause. Die tief in Fleisch und Blut übergegangen Handgriffe sitzen nach wie vor und fühlen sich auch vertraut an. Und doch gibt es durch meine Arbeit als Coach und Organisationsentwicklerin einen neuen Referenzwert. Ich erlebe mich selbst durch die Weiterentwicklung in den letzten Jahren anders als früher. Beraterin / Projektmanagerin ist nicht mehr DER Modus, sondern ein Modus, eine Welt, die ich jetzt anders erleben darf als früher. Und dadurch wird auch meine Coaching Welt nochmal anders erlebbar und klarer abgegrenzt als vorher.

Dazwischen und Zuhause

Ähnlich ist es auch mit persönlicher Entwicklung. Wir verändern uns manchmal fast unmerklich und haben das Gefühl, dass sich wenig verändert hat. Und dann gibt es diese Momente, in denen wir in alte Verhaltensweisen, alte Gefühlsmuster oder Denkweisen verfallen. Und wenn sich das Neue schon verfestigt hat dann merken wir, dass es das, was da anklingt, so eigentlich gar nicht mehr gibt. Auch wenn wir uns temporär in einer alten Welt bewegen, erleben wir sie jetzt anders. Vielleicht fühlt sich dieses neue Erleben noch sehr wackelig an, vielleicht auch schon sehr gefestigt – wenn wir aber den persönlichen Entwicklungsschritt hinter uns haben, dann gibt es kein zurück mehr.

Auch ich habe gemerkt, dass es (zumindest momentan) für mich kein zurück gibt. In vielen Punkten unterscheidet sich meine Rolle bei Alliance4Ukraine (ein Programm von ProjectTogether) natürlich von meinen alten Beratungstätigkeiten – alleine der gemeinnützige Kontext und das unglaubliche Engagement der Beteiligten für die Sache machen einen großen Unterschied. Auch wenn es für meinen Einsatz einen sehr schrecklichen Anlass gab, war es eine wirklich tolle Zeit! Der unglaublich starke, am Gemeinwohl orientierte Purpose, ein großartiges Team mit einer wirklich co-kreativen, unterstützenden Kultur und das Gefühl gemeinsamer Wirksamkeit – besser als bei ProjectTogether hätte ich mir einen Job nicht backen können.

Und doch hat mir mit der Zeit etwas gefehlt – mein Ich als Coach, als Facilitator. Das bewusste Raum halten, in Beziehung gehen, um persönliche Weiterentwicklung zu fördern, die konzeptionelle Arbeit in Stille, die magischen Momente im Coaching. Es gab eine kleine Stimme in mir, die trotz aller Großartigkeit geflüstert hat, dass comea und meine Selbstständigkeit zu meiner Heimat geworden sind.

Aber etwas Neues habe ich auch gewonnen, ganz abgesehen von den vielen wunderbaren Begegnungen. Ich habe erlebt, wie innerlich erfüllend gesellschaftliches Engagement und eine Gemeinschaft an engagierten Menschen wirklich sein können. Ich werde meine Rolle also im geringeren Umfang auch parallel weiterführen und zumindest einen kleinen Beitrag dazu leisten, die riesige Herausforderung der psychosozialen Unterstützung im Kontext des Ukraine Kriegs zu bewältigen. Außerdem möchte ich noch stärker nach einer Möglichkeit hier vor Ort in Frankfurt suchen, wie ich als Coach (ggf. mit weiteren Weiterbildungen, z.B. in der Krisenintervention) gemeinnützig unterstützen kann.

Was hat das Ganze jetzt mit dir zu tun?

Vielleicht hat es dich interessiert, über einen Aspekt meiner Zeit bei Alliance4Ukraine zu erfahren, vielleicht hast du auch nur gerade so bis zu diesem Punkt gelesen. Auf jeden Fall ist dir vielleicht noch nicht wirklich klar geworden, was das ganze mit dir und deiner persönlichen Entwicklung zu tun hat.

Ich möchte dich daher an dieser Stelle einladen, deine Welt zu spüren und vielleicht dein eigenes “zwischen den Welten” zu erkunden. Dazu gibt es diesmal eine kleine Übung mit Reflexionsfragen.

Spüre die (Zwischen)Welt

Nimm dir einen Moment Zeit, schließe die Augen und atme ein paar Mal tief durch. Dann spüre dich ganz in deine jetzige Welt ein. Wo befindest du dich gerade? In einer ziemlich klaren, eindeutigen Welt oder im “dazwischen”? Wie fühlt es sich an und woran machst du deine Welt, deinen Erfahrungsraum fest? Vielleicht beschränkst du dich nur auf einen Aspekt deines Lebens – deinen Beruf, deine Familie, deine Freunde, deine Spiritualität, deine Hobbies, oder das “Ich”, das bleibt nachdem du die anderen Aspekte ausgeblendet hast.

Wo also in dieser Welt befindest du dich? Ganz in der Mitte, so dass du die Grenzen deiner Welt kaum wahrnehmen kannst? Genau dazwischen, das Alte ist vergangen und doch noch nicht ganz vorbei, das Neue ist da und doch noch nicht ganz etabliert? Bist du ganz in einer Welt, spürst aber, dass sich ihre Grenze nähert? Egal wo du gerade bist, lass dich ganz darauf ein. Spüre den festen Boden unter deinen Füßen und lasse deine Erlebenswelt auf dich wirken, so wie du im Winter die Schneeflocken auf deiner Haut spürst, im Frühling die Luft des Neuanfangs einatmest, im Sommer die pulsierende Hitze beobachtest und dich im Herbst mit der bitter-süßen Melancholie des Verfalls einkuschelst.

Und wenn du dort wirklich angekommen bist, dann wandere innerlich etwas umher. Was war die letzte innere Welt, an die du dich erinnern kannst? Wie hat sie sich angefühlt und was spürst du jetzt, wenn du dich wieder hineinversetzt? Vielleicht zieht es dich auch zu einer schon spürbaren neuen Welt? Wie fühlt sie sich an, was kannst du schon erahnen, was ist noch völlig unerkannt?

Dann wandere wieder zurück, in deine jetzige Welt und spüre nochmal kurz nach. Was ist gleich geblieben, was hat sich verändert? Wo spürst du das sanfte Streicheln der Komfortzone, wo zwickt der Wachstumsschmerz?

Vielleicht hast du gerade etwas gespürt oder auch nicht gespürt. Vielleicht haben dich meine Fragen in Gedankenwelten hineingezogen, vielleicht auch nicht. Egal wie du die letzten Momente erlebt hast, hast du doch etwas mit mir, den anderen Menschen und allen Lebewesen auf der Erde gemeinsam. Wir alle sind immer auch in der gleichen Welt, im gleichen Jetzt zu Hause. Und das, finde ich, ist sehr tröstlich und furchterregend zugleich.

In diesem Sinne, sei in deiner ganz eigenen (Zwischen)Welt und bleibe doch auch immer in unserer gemeinsamen Welt und unserem gemeinsamen Jetzt.

Bis zum nächsten Mal!

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